Spurensuche 2002 - die altmärkische Eisenbahn im Abschnitt Wittingen - Diesdorf |
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Wie anderswo in Deutschland auch,
gibt es im Raum zwischen Lüneburger Heide im Norden und
dem Harz im Süden eine ganze Anzahl inzwischen
stillgelegter und abgebauter Eisenbahnstrecken. Eine
Besonderheit ist aber sicherlich die Vielzahl der durch
die innerdeutsche Grenzziehung bedingten
Streckenstillegungen. Zwischen Uelzen - Salzwedel im
Norden und Bad Harzburg - Ilsenburg am Harzrand wurden in
den ersten Jahren nach 1945 ganze 15(!)
Streckenabschnitte unterbrochen und nur 2 Verbindungen
weiterbetrieben. Heute, 13 Jahre nach dem Ende der "Zonengrenze"
ist es besonders reizvoll nicht nur nach der ehemaligen
Grenze als solche zu forschen (hier ist häufig schon
kaum noch etwas zu finden), sondern auch nach Überresten
der 1945 oder später zwangsweise eingestellten
Bahnverbindungen. Eine solche Tour ergab sich im Jahre
2002 eher zufällig im Raum Wittingen - davon handelt
dieser Bericht.
Eine kurze Vorgeschichte:
Die "Kleinbahn AG Bismark - Gardelegen - Wittingen"
war Anfang des 20. Jahrhunderts ein blühendes
Unternehmen. Mittels eines zuletzt 111km langen
normalspurigen Kleinbahnnetzes wurde die Altmark (heute
Sachsen-Anhalt, östlich Wittingen) erschlossen, die
intensive Landwirtschaft in diesem Gebiet sorgte für
gutes Frachtaufkommen und entsprechende Einnahmen. Daher
konnten immer weitere Teilstrecken gebaut werden, als
vorletzte auch der 12 Kilometer lange Abschnitt Diesdorf
- Wittingen im Jahre 1909. In Wittingen sorgte der
Anschluß an die Celler Kleinbahnen (Wittingen - Celle)
und die Kleinbahn Wittingen - Oebisfelde sowie an die
Reichsbahn für Übergangsverkehr (Die beiden in
Wittingen anschließenden Kleinbahnen wurde 1944 zur OHE,
Osthannoversche Eisenbahn vereinigt, welche Wittingen im
Güterverkehr heute noch bedient). In Wittingen trafen
sich von 1909 bis 1944 also 4 Bahngesellschaften! (zum
Bahnhof Wittingen siehe auch die Seite über
diesen Bahnhof an der Strecke
Braunschweig - Uelzen)
Das Ende: Östlich Wittingen schnitt die Altmärkische Eisenbahn-AG (so hieß die Kleinbahn Bismark - Gardelegen - Wittingen ab 1937) die Landesgrenze am Haltepunkt (oder Bahnhof?) Waddekath-Rade. Wann genau hier der Betrieb eingestellt wurde ist in den einschlägigen Quellen nicht angegeben, es dürfte wohl mit dem Einmarsch der alliierten Truppen im April 1945 der Fall gewesen sein. Zuletzt fuhren werktags 3 und sonntags zwei gemischte Zugpaare (GmP). Schon bald fiel der eiserne Vorhang nur 3 km östlich von Wittingen... Die Spurensuche: Im Rahmen einer Fototour per Rad im Raum Wittingen ergab sich im Frühjahr 2002 ein Abstecher an die ehemalige innerdeutsche Grenze. "Bewaffnet" u.a. mit einer topografischen Karte (s.o.) sollte der Verlauf der 1945 eingestellten Strecke bis zu Landesgrenze nachvollzogen werden - für die gesamte Strecke bis Diesdorf (12km) reichte die Zeit leider nicht. Also zunächst der Bahnhof Wittingen West (heute OHE): Wie auf einem Vorkriegs-Gleisplan leicht zu erkennen hatte hier jede der 3 Kleinbahnen ihren eigenen Gleise und die 3 Strecken (Richtung Celle, Oebisfelde (heute bis Brome/Rühen) und Diesdorf) verzweigten sich noch im Bahnhofsbereich. Besonders auffällig war der über ca. 2 Kilometer parallele Verlauf der Strecken Richtung Oebisfelde und Diesdorf bis zum Haltepunkt Wittingen Süd! Schon in der südlichen Bahnhofsausfahrt findet man neben dem heute noch befahrenen Bromer Gleis ein auffällig parallel verlegtes Anschlußgleis: Die ehemalige Diesdorfer Bahn, dem Gleiszustand zu urteilen wohl auch noch der orginale Vorkriegs-Oberbau (siehe Bild).
Hält man sich
weiter in Gleisnähe, findet man ab dem Bahnübergang der
Knesebecker Straße einen Trampelpfad direkt am Gleis
entlang, der sich mit Unterbrechungen bis zum ehemaligen
Haltepunkt Wittingen Süd an der Straße Wittingen -
Kakerbeck hinzieht. Wer genau hinschaut entdeckt auf
diesem Trampelpfad hier und da noch Schwellenreste,
zweifelsfrei Reste des ehemaligen Diesdorfer
Streckengleises. Am Haltepunkt Wittingen Süd fällt
sofort das große Empfangsgebäude (privat genutzt) auf.
Die OHE-Strecke Richtung Brome schwenkt hier nach Südosten,
währen die Diesdorfer Bahn nördlich des Empfangsgebäudes
weiter Richtung Osten verlief. Das Gebäude lag also in
einer Insellage zwischen den beiden Strecken. Hinter der
Straße nach Kakerbeck verliert sich die Trasse der
Diesdorfer Bahn, hier gibt es nur noch Acker und keine
Anhaltspunkte mehr für eine Eisenbahnstrecke. Also
weiter an die ehemalige innerdeutsche Grenze, deren
Verlauf bei flüchtiger Betrachtung nur noch am Hinweis
"Willkommen in Sachsen-Anhalt" zu erkennen ist.
Nach 12 Jahren ist der Sichtbereich am Grenzverlauf
bereits wieder stark zugewachsen, die Grenzanlagen
ohnehin abgebaut. Nur der Kontrollweg mit den typischen
Betonplatten ist erhalten - hier findet sich aber auch
kein Hinweis auf den ehemaligen Bahnverlauf. Also zurück
nach Niedersachsen, hier zeigt sich westlich des
Grenzverlauf ein "verdächtiges" Waldstück (Binsenweisheit
für den Eisenbahnarchäologen: In Wäldern findet man
die meisten Relikte). Bei Annäherung erkennt man einen
flachen Einschnitt, nach etwa 200m zu Fuß durchs Unterholz
stößt man auf den Grenzgraben und hier liegt tatsächlich
noch ein ca. 15m langes Gleisstück der Kleinbahn
verloren im Gelände. Kein Hinweis mehr darauf, daß hier
einst die bestgesicherte Grenze der Welt verlief, nur ein
Stück der Strecke, die eben dieser Grenze zum Opfer fiel
ist noch da!
Literatur zum Thema:
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Stand der Bearbeitung 11.03.03 |